MARTINIQUE – ANNAS REVUE – TRAMPEN ZU LAND UND WASSER
22.Januar 2017
Hallo Herr Foerthmann,
Als erstes auch von mir nochmal tausend Dank, dass Sie Christoph „Angie“ gesponnsert haben – sonst wäre diese Reise so gar nicht möglich gewesen.
Zu meiner Reise…
Angefangen hat es mit dem Traum, Costa Rica zu sehen (da war ich 12). Und nach dem Abi war klar, dass ich mir diesen Traum erfüllen wollte. Anfang des Jahres lernte ich dann Joshi kennen, der auch in diese Richtung wollte, allerdings auf unkonventionelle Art: Am besten ohne Geld und nur durch Auto – bzw Bootstop. Da ich generell für alle verrückten und erstmal unmöglich scheinenden Ideen zu begeistern bin, haben wir beschlossen, nach Südamerika zu trampen.
Am 4.10. ging es dann auf der Autobahnraststätte in Grünstadt los. Ich vermute mal, außer uns beiden hatten viele schon Zweifel, dass wir überhaupt bis nach Spanien kommen würden. 24 Stunden später wachten wir in Benidorm an der spanischen Küste auf – wir waren sogar überrascht, wie einfach und schnell wir voran gekommen sind.
In Benidorm wohnten wir dann mit unseren Hängematten 4 Tage hinter einer Raststätte unter Palmen, um auf unser erstes Boot zu warten, welches in ein paar Tagen in Calpe anlegen würde. Dort bestieg ich dann also das erste Mal bewusst ein Segelboot. ( Zuvor war ich mal ein paar Tage auf einem Katamaran zum tauchen und mit der Schulklasse auf dem Ijsselmeer segeln, was mir aber im Vergleich zu dem, was mich erwarteten würde, ziemlich unvorbereitet ließ).
Bernhard, der „Crazy Captain“ (zu dem Sie auch ein ganzes Video auf youtube finden), den wir über Hand – Gegen – Koje ausfindig machen konnten, brachte uns entlang der Küste Spaniens, über Marokko nach Las Palmas, Gran Canaraia. Eine unvergessliche Fahrt, die insgesamt 4 Wochen dauerte, jedoch alle paar Tage Landgang versprach.
In Las Palmas ging für Joshi und mich dann die 2. Etappe los: ein Boot für die Atlantiküberquerung zu finden. Keine zwei Tage später hatten wir einen neuen Skipper, der ebenfalls Bernhard hieß – diesmal aber Franzose war. Mit ihm und der SAUDADE setzten wir nach La Gomera über, wo wir zufälligerweise direkt neben Christoph in der Marina lagen.
Das erste, was ich von ihm und SHALOM sah, war sein alter Windpilot, auf dessen Windfahne groß die Worte “ Gott muss ein Seemann sein“ geschrieben stand. Als ich miterlebt hatte, wie Christoph segelt, wusste ich auch warum, aber dazu später mehr.
Es tat gut, jemanden kennen zu lernen, der noch „verrücktere“ Sachen machte als ich, sich einfach ein Boot zu kaufen und um die Welt segeln zu wollen kam mir völlig absurd vor.
Die nächsten 4 Wochen verbrachten wir also zusammen auf La Gomera. Joshi und ich wohnten auf der SAUDADE, deren Besitzer für einen Monat nach Frankreich geflogen war und uns sein Boot überließ. Wenig später adoptierten wir Albi, ebenfalls ein Reisender auf Bootssuche und erkundeten zu viert die Insel.
Die Zeit verging wie im Flug und irgendwann war es dann für Christoph Zeit, abzulegen, um nicht den Rest seines Lebens in San Sebastian zu verbringen (was er sich sehr gut vorstellen konnte).
Albi, Joshi und ich halfen also kräftig bei den Vorbereitungen: Kopierte Seekarten wurden mit Panzertape zusammengebastelt, der Sextant getestet und der überflüssige Wassertank ausgebaut. Nachdem der alte 2 Takt Motor dann zum x – ten Mal wieder zusammengebastelt war, fehlte nur noch das Proviant. Christoph und ich dackelten also zum Supermarkt. „Was brauche ich denn überhaupt?“, wendet er sich an mich. Verdutzt schaue ich ihn an, ich war eigentlich als Tragehilfe und nicht als Shoppingberaterin mitgekommen. Etwas ratlos standen wir also vor den Regalen und stopften einfach alles, was irgendwie lange haltbar war, in die drei Einkaufskarren.
Nachdem alles an Bord verstaut war, gab es noch ein letztes Bierchen für alle ( es waren insgesamt 27 davon an Bord, nur für den Fall, dass das Wasser ausgeht) und Christoph machte sich mit unseren besten Wünschen auf den Weg.
Drei Tage später lag SHALOM wieder neben uns in der Marina – der selbst gebastelte Windpilot machte nicht mit, sein Getriebe hatte Zahnausfall und Karies bekommen.
Da retteten Sie, Herr Foerthmann, dann die bevorstehende Reise. Christophs Vater packte den gesponserten Windpiloten in den Koffer und landete ein paar Tage später auf La Gomera. Eine Woche lang wurde gewerkelt und entspannt, bevor die Vorbereitungen wieder losgingen (Seekarten hatten wir ja zum Glück schon mit Panzertape zusammengeklebt, es fehlte also nur noch mehr Bier und ein paar Äpfel).
Albi und Joshi haben in der Zeit beschlossen, nach Teneriffa zurück zu trampen. Die ganze Zeit zog Christoph mich auf, noch „bootlos“ zu sein und jeden Morgen war die erste Frage, die von SHALOM herüberschallte „Hast du endlich ein Boot gefunden?“ ( natürlich mit süffisantem Grinsen ). Zu meiner Verteidigung hatte ich aber ja noch die SAUDADE zum Wohnen – zumindest bis ihr rechtmäßiger Besitzer zurück kam. Als wir dann am letzten Abend vor der erneuten Abfahrt wieder einmal ratlos im Supermarkt standen und ich noch erneut versuchte, kulinarische Tipp´s zu geben, damit Christoph sich nicht 20 Tage lang ausschliesslich von „Feuertopf“ und anderen Dosengerichten ernähren musste, unterbricht er mich mitten im Satz: „Warum kommst du nicht einfach mit und kochst?“. Dann ging es los. Nicht nur, dass ich richtig aufgeregt wurde. Ich konnte nicht mal kochen, aber das war dann erstmal unwichtig.
Immer noch nicht sicher, ob das ein Scherz war, den Christoph vielleicht bereits bereute, stand ich am nächsten Morgen aufgeregt vor SHALOM.
„Passt das überhaupt?“ – „Werden wir ja sehen.“
Mit diesen Worten räumten wir das komplette Boot aus. Man mag vielleicht denken, in ein 7m Boot passt nicht viel rein. Mir kam SHALOM allerdings erstmal vor, wie eines dieser Zauberzelte aus Harry Potter. Wir kauften noch mal zwei, drei Einkaufskarren Proviant ein und ich kam mir vor, wie in dem Spiel „Tertris“. Wie das alles reingepasst hat, weiß ich bis heute noch nicht. Zwei Tage nach dem geplanten Abfahrtsdatum waren wir endlich fertig. Fehlte nur noch, dass ich meinen Eltern irgendwie beibringe, dass ich mit einem 18 jährigen Segler auf dem kleinsten Boot in der Marina Gomera über den Atlantik segeln wollte.
Nachdem auch das überwunden war, legten wir ab. Ich glaube, meine Mutter hat die nächsten 30 Tage nicht mehr ruhig geschlafen!
Die ersten beiden Tage waren wie aus dem Bilderbuch: wunderschöne Sonnenuntergänge, leckeres und frisches Essen, um uns Wale und Delphine. Die Sorgen meiner Eltern ( und allen anderen Leuten, die von unserem Vorhaben erfuhren ) kamen mir auf einmal lächerlich vor. Vier Tage später sollte sich das ändern.
Auf einmal hatten wir 30 Knoten Wind und hohe Wellen. Extrem hohe Wellen. Die nächste Woche kam ich mindestens einmal am Tag zu dem Punkt, an welchem ich mein Leben als beendet ansah und nur noch in der Koje lag und darauf wartete, dass wir untergingen.
Christoph sprang derweil munter an Deck rum, wechselte Segel auf dem Vordeck und Angie, unser Windpilot, hielt uns Tag und Nacht auf Kurs. Wäre Christoph über Bord gegangen und ich hätte das Schiff drehen müssen ….. Ich wollte diesen Gedanken nicht weiter daran denken.
Als wir dann in die Bucht von Mindelo segelten, atmete ich das erste Mal wieder auf. Geschafft. Vorerst.
Wir gönnten uns 9 Tage Pause, verbrachten viel Zeit auf anderen Booten und lernten wieder unglaublich viele nette Leute kennen. Dann hieß es wieder „Anker auf“ und raus, auf den Atlantik. Wow. Was das heißen sollte, konnte sich keiner von uns beiden richtig vorstellen. Lange Zeit nur Wasser, nur wir beide auf einem Boot, dass gefühlt kleiner ist als mein Kleiderschrank.
Das Wetter war auf unserer Seite. Fast durchgängig 30 Grad, Sonne satt und angenehmer Wind. Zwischendurch hatten wir zwar auch mal Flaute, was aber zumindest die eine Hälfte der Besatzung gar nicht störte.
Leider muss ich an dieser Stelle unterbrechen – wir sitzen seit 4 Stunden in der Bar und es wird langsam dunkel. Morgen folgt der Rest,
Bis dahin alles liebe und beste Grüße,
Anna
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